Durch die Verbindung von Unterhaltung und sofortigem Kauf bietet der Live-Commerce Einzelhändlern, Marken und digitalen Plattformen einen neuen Kanal mit enormen Möglichkeiten zur Wertschöpfung. Gerade im asiatischen Raum boomt das Geschäft mit Live-Commerce. Nur ein Trend? Wir haben alle nötigen Fakten über Live-Commerce für Sie zusammengefasst.

Mit der Einführung von Alibabas “Taobao Live” im Mai 2016 wurde ein neues Kapitel im Verkauf aufgeschlagen. Der chinesische Einzelhandelsriese hatte mit einem neuen Ansatz Pionierarbeit geleistet: Er verknüpfte eine Online-Livestream-Übertragung mit einem E-Commerce-Shop, so dass die Zuschauer gleichzeitig zuschauen und einkaufen konnten. Der Live-Handel etablierte sich schnell als fester Bestandteil der Verkaufskampagnen für den Singles’ Day – ein wichtiges Shopping-Ereignis in China – und allgemein als zuverlässiges digitales Instrument zur Steigerung von Kundenbindung und Umsatz. Im Jahr 2020 erzielten die ersten 30 Minuten von Alibabas Vorverkaufskampagne zum Singles’ Day auf Taobao Live einen beeindruckenden Transaktionswert von insgesamt 7,5 Milliarden US-Dollar. Nun ist der Trend auch bei den Social Apps angekommen.

Wie schafft Live-Commerce einen Mehrwert?

Doch was genau fasziniert die Einkäufer am Live-Commerce, worin liegt das Erfolgsrezept?

Live-Commerce kann Marken, Einzelhändlern und Marktplätzen vor allem in zwei Bereichen helfen:

Verbesserung der Markenattraktivität und Differenzierung

Wenn Live-Commerce gut umgesetzt ist, steigert es die Attraktivität und den Wiedererkennungswert einer Marke und zieht zusätzlichen Web-Traffic an. Er kann die Positionierung bei bestehenden Kunden stärken und neue Kunden anziehen, insbesondere junge Menschen, die an innovativen Einkaufsformaten und -erlebnissen interessiert sind. Einige Unternehmen verzeichnen einen Anstieg ihres Anteils an jüngeren Kunden um bis zu 20 Prozent.

Beschleunigung/Erhöhung der Konversion

Live-Commerce ist unterhaltsam und fesselnd und hält die Zuschauer länger bei der Stange. Außerdem werden die Entscheidungsprozesse der Kunden von der Wahrnehmung bis zum Kauf verlängert. Zeitlich begrenzte Taktiken wie einmalige Gutscheine können eingesetzt werden, um ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen. Unternehmen berichten von Konversionsraten von annähernd 30 % – bis zu zehnmal höher als im herkömmlichen E-Commerce.

Live-Commerce – ein schnell wachsender Trend

Live-Commerce hat sich in China rasant entwickelt und sich in weniger als fünf Jahren zu einem innovativen Vertriebskanal mit einer geschätzten Marktdurchdringung von 10 % entwickelt. Der Wert des chinesischen Live-Commerce-Marktes wuchs zwischen 2017 und 2020 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von mehr als 280 Prozent auf geschätzte 171 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020. Dieser Wachstumsschub wurde durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt, und es wird erwartet, dass der chinesische Umsatz bis 2022 423 Milliarden US-Dollar erreichen wird.

Die am häufigsten im Live-Handel präsentierten Produktkategorien sind Bekleidung und Mode mit einem Anteil von 36 %, gefolgt von Schönheitsprodukten und Lebensmitteln mit jeweils etwa sieben Prozent. Auf Unterhaltungselektronik entfallen rund fünf Prozent und auf Möbel und Wohnaccessoires fast vier Prozent.

Wer nutzt Live-Commerce?

Was die Demografie betrifft, so dominieren die Generation Z und die Millennials, obwohl Live-Commerce allmählich auch Verbraucher mittleren Alters und ältere Menschen anzieht. Im März 2020 wurde Live-Commerce von 265 Millionen Menschen genutzt – somit fast 30 % der chinesischen Internetnutzer. Taobao ist mit einem Marktanteil von 35 % nach wie vor der weltweit größte Anbieter.

Live-Commerce bei Marken

Dem Beispiel Chinas folgend, gründen westliche Marken, Einzelhändler und Marktplätze ihre eigenen Live-Commerce-Eevnts, um ihre Produkte zu bewerben. Insbesondere die Bereiche Schönheit und Mode sind davon betroffen. Zu den ersten Anwendern gehörte der deutsche Beauty-Einzelhändler Douglas, der wöchentlich mehrere Shows in verschiedenen Formaten, von Workshops mit Experten bis hin zu Gesprächen mit Influencern, streamt und von Konversionsraten von bis zu 40 % Prozent berichtet.

Im Bereich Mode hat Tommy Hilfiger kürzlich sein Livestream-Programm auf Europa und Nordamerika ausgeweitet, nachdem es in China erfolgreich war, wo eine Show Berichten zufolge 14 Millionen Zuschauer anlockte und 1.300 Kapuzenpullis in zwei Minuten verkauft wurden. Und im Dezember 2020 führte Walmart ein Livestream-Mode-Event auf TikTok durch, welches siebenmal mehr Zuschauer als erwartet anlockte und es dem Unternehmen ermöglichte, seine TikTok-Follower-Basis um 25 % zu erhöhen.

Auch eine Vielzahl spezialisierter Start-ups ist entstanden, darunter NTWRK, das Shows anbietet, in denen Gäste über begrenzt verfügbare Streetwear sprechen, und Buywith, bei dem die Zuschauer die Moderatoren beim Stöbern auf der E-Commerce-Plattform und beim Chatten per Webcam beobachten.

Fazit: besseres Markenerlebnis & langfristiger Trend?

Live-Shopping ist die Antwort auf das veränderte Einkaufsverhalten der jüngeren Generation. Gleichzeitig punktet es mit einer exzellenten Customer Experience, sodass diese Form von Commerce sich wohl langfristig etablieren wird.

Auch Facebook erkannte den Trend schnell und testete bereits 2019 die Bezahlfunktion über Instagram selbst. Nutzer können ihre PayPal- oder Kreditkartendaten hinterlegen, um somit über die App direkt neu erworbene Produkte bezahlen. Wann und ob diese Funktion sich auch in Europa etablieren wird, ist ungewiss.

Mit Live-Commerce können Marken nun noch intensiver mit den Kunden interagieren und ein maßgeschneidertes bequemes Einkaufserlebnis bieten. Doch Vorsicht: Der Trend wird nur standhalten, insofern Expertise und Entertainment geboten wird. Es ist wichtig, bei Kunden eine nachhaltige und langfristige Zufriedenheit zu erwecken.